Schwaben im Shitstorm – aus diesen 4 Fehlern der Daimler-Kommunikation können wir lernen

Henry Ford hat gesagt, fünfzig Prozent seines Werbeetats seien rausgeworfenes Geld. Dieter Zetzsches Daimler ist ein Stück weiter: In Stuttgart wird nicht nur Marketinggeld verbrannt, sondern gleichzeitig die Unternehmensreputation beschädigt. Besonders bemerkenswert dabei ist die Lernresistenz beim schwäbischen Autohersteller. Ein Fehler dient bei Daimler – zumindest gefühlt – als Chance, gleich noch einen weiteren Fauxpas draufzusatteln. Dieter Zetzsche selbst halte ich für einen exzellenten Kommunikatoren. Seine Konzernkommunikation zeigt dagegen Ansätze von kommunikativer Unzurechnungsfähigkeit.

Was ist passiert? Es begann mit einem Post auf Instagram. Unter dem Hashtag “MondayMotivation” veröffentlichten die Schwaben einen schönen Strand, garniert mit einer Luxuskarosse und mit einem Zitat des Dalai Lama. Was sich das Social Media-Team von Daimler genau von dieser Art von Kommunikation verspricht, erschließt sich mir nicht ganz. Soll der Betrachter am frühen Montag animiert werden, einen richtig guten Job zu machen? Damit er sich einen tollen Urlaub und einen schicken Wagen leisten kann? Um am Ende der Welt in Ruhe über die Weisheit des Dalai Lama nachzudenken? Daimlers Fehler Nummer eins ist der Verstoß gegen die Regel „wer nichts zu sagen hat, hat nichts zu sagen“. Es ist besser nicht zu kommunizieren, als belanglos zu kommunizieren.

Fehler Nummer zwei war, den Kontext, in dem Kommunikation stattfindet, auszublenden. Warum greift die Social Media-Truppe ausgerechnet auf das religiöse Oberhaupt der Tibeter zurück, um einem schnöden Marketingpost Sinn einzuhauchen? Ich finde, das ist eine Respektlosigkeit, ein Affront für jede Religion. Und ein grober handwerklicher Fauxpas. Denn religiöse und politische Konflikte auszuklammern, gehört zu den Basisregeln der Kundenkommunikation.

Offensichtlich hatten die Kommunikatoren nicht auf dem Schirm, dass für die Machthaber in China, dem wichtigsten Markt von Daimler, das religiöse Oberhaupt der Tibeter eine Hassfigur ist. Der Friedensnobelpreisträger gilt der Regierung in Peking als Verräter, Verbrecher und Separatist. Oder dachten die Social Media-Experten der Marke mit dem Stern, niemand bemerke in China, was Daimler auf Instagram macht, da Instagram in China von der Internet-Zensur offiziell blockiert ist?

Es passierte, was passieren musste. Der Autohersteller wurde aus dem Reich der Mitte für das Posting scharf kritisiert. Als Reaktion löschte Daimler das Instagram-Bild – eine nachvollziehbare Reaktion. Und schickte eine völlig überzogene Entschuldigung auf dem chinesischen Mikroblogging-Dienst Weibo hinterher. Der Autobauer bedauerte „die Gefühle des chinesischen Volkes verletzt zu haben“ und gelobte, „unverzüglich sein Verständnis von der chinesischen Kultur und deren Wertvorstellungen zu vertiefen“. Man werde künftig alle Kritik und Ratschläge aufrichtig akzeptieren verkündete Daimler auf Weibo, dem chinesischen Twitter.

Ein Statement, das klingt, als stamme es wortwörtlich aus dem Handbuch für Parteipropaganda. Oder setzten die Daimler Kommunikationsstrategen darauf, dass im Westen niemand mitbekommt, was der Autohersteller auf Weibo alles verkündet? Fehler Nummer drei war es, die aufrechte Haltung aufzugeben und mit zitternden Knien zu kommunizieren.

Soviel Servilität bescherte den Schwaben den nächsten Shitstorm. Völlig zu Recht. Kann der Mann mit dem markanten Schnurrbart seinen Leuten nicht nahebringen, den Geschäften mit etwas mehr Würde nachzugehen und Selbstbewusstsein zu zeigen? Der Kotau, beim sich der Grüßende in gebührendem Abstand vor dem zu Begrüßenden in den Staub niederwirft und mehrmals mit der Stirn den Boden berührt, wurde in China im Jahr 1912 offiziell abgeschafft liebe Daimler-Kommunikatoren.

Apropos Servilität: Ist sie eigentlich ansteckend? Auch ein Abendessen von 15 Industriekapitänen mit Donald Trump beim Weltwirtschaftsforum in Davon löste Irritationen aus. Die mächtigen CEOs, darunter Siemenschef Joe Kaeser traten dem Populisten aus dem Weißen Haus gegenüber, als sei schleimen Chefsache. Ein nicht minder peinlicher Auftritt.

Mit dem Kotau auf Weibo war die Serie der PR-Pannen des Stuttgarter Autokonzerns nicht beendet: Auf Anfrage irritierter Medien deutete die Daimler-Pressestelle die blamable Entschuldigung als Zeichen der eigenen kulturellen Kompetenz. „Als globales Unternehmen respektieren wir China, genauso wie wir alle Märkte mit ihren unterschiedlichen Wertesystemen respektieren“, verlautbarte eine Sprecherin. Mit dieser Floskel begibt sich Daimler aufs kommunikative Glatteis. Denn mit diesem Statement kapitulieren die Schwaben moralisch und stellen den Chinesen einen Persilschein aus. Mit dieser Haltung müsste Daimler im Fall des Falles sogar damit leben, dass Kindersklaven in China Luxuskarossen zusammenzuschrauben. Kardinalfehler Nummer vier lautet entsprechend: in Floskeln zu fliehen, anstatt einfach mal einen Fehler einzuräumen.

Dass aufrechte Haltung im Umgang mit den Herrschern im Reich der Mitte möglich ist, zeigt ein Beispiel ausgerechnet aus der vielgescholtenen Politik. Für Angela Merkel ist das Verhältnis zu den Machthabern in Peking ebenfalls wichtig. Trotzdem nahm die Kanzlerin sich das Recht, den Dalai Lama persönlich zu treffen. Sie ignorierte giftige Kommentare und empfahl den in Peking Regierenden: „das Beste wäre, wenn die chinesische Führung selbst das Gespräch mit dem Dalai Lama suchen würde“. Das nenne ich eine aufrechte Haltung.





Die Erstveröffentlichung des Beitrags finden Sie unter W&V.

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